Eltern-Ratgeber TikTok


Was genau ist TikTok?

TikTok ist das neue Instagram. Seit September 2017 erobert das soziale Netzwerk Teenie-Herzen im Sturm. Das Erfolgskonzept: Anders als Facebook, Twitter und Instagram setzt die junge Entertainment-App ausschließlich auf selbst gedrehte Videoclips. Maximal eine Minute lang filmen sich die User und teilen ihre Self Made-Clips mit der Community. Das Besondere: TikTok stellt seinen Nutzern zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Mit Musikstücken, witzigen Challenges und Spezialeffekten peppen die User ihre Videos auf. Plötzlich werden sie zum Regisseur ihres eigenen Musikvideos, nehmen an kleinen Mutproben teil oder teilen persönliche Momente mit der TikTok-Community. Geordnet werden die verschiedenen Videoclips mit Hashtags (#). Die kleine Raute weist die Inhalte bestimmten Kategorien zu – zum Beispiel #meinstyle, #6sekundentest oder #eggchallenge. Die beliebtesten Videos verdienen sich einen Ehrenplatz im Reiter “Entdecken”. Hier listet das soziale Netzwerk mithilfe von Algorithmen die meist geschauten Clips auf und verhilft ihnen zu noch mehr Reichweite.

Doch wie kam es eigentlich zum großen Durchbruch der Entertainment-App?

Die Erfolgsgeschichte beginnt mit Musical.ly. Rasch steigt die Videoplattform zum Sammelpunkt für selbst gedrehte Musik- und Tanzvideos auf. Synchron zu ihrem Lieblingssong bewegen die User die Lippen und kreieren ihre eigenen Choreografien. Sie treten sozusagen in die Fußstapfen ihrer großen Idole wie Jennifer Lopez, Britney Spears oder Shawn Mendes. Der Erfolg weckt das Interesse von Beijing Bytedance Technology. Ende 2017 kauf der chinesische Konzern die Plattform auf und feilt an ihrem Repertoire. Und das ist die Geburtsstunde von TikTok. 2018 holt sich die Video-App Sky ins Boot und steigert ihren Umsatz um ein Vielfaches. Inzwischen hat sie sogar Klassiker wie Facebook und Instagram aus den Download-Charts vom Thron gestoßen. Rund 800 Millionen Menschen weltweit sind Teil der kreativen Community.

Von Newcomern und alten Hasen – TikTok kriegt sie alle

TikTok bietet jungen Talenten eine kostenlose Plattform. Ob Musiker, Tänzer, Schauspieler oder Comedian – wer schnell groß herauskommen will, teilt seine TikTok-Videos mit der Welt. Mit einer großen Portion Glück gelingt dem einen oder anderen der Durchbruch. Das beste Beispiel ist Charli D’Amelio. Die amerikanische Influencerin belegt mit 123 Millionen Follower Platz eins unter den beliebtesten TikTok-Accounts. Neben Newcomern finden aber auch alte Hasen aus dem Showbusiness Gefallen an der Video-App. Von Will Smith über Reese Witherspoon bis hin zu Heidi Klum und Justin Bieber – sie alle geben sich mit Musik-, Tanz- und Comedy-Videos regelmäßig die Ehre.

Faszination TikTok – was macht die Video-App so cool?

Vom Beobachter zum Performer

Gerade bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen trifft TikTok den Nerv der Zeit. Hier sind sie nicht nur stiller Beobachter, sondern Macher. Ob selbst gedrehte Musikvideos, spannende Challenges oder intime Geständnisse – sie sind mittendrin, statt nur dabei.

Der Kreativität freien Lauf lassen

Raffinesse und Kreativität sind der innere Motor von TikTok. Nach Lust und Laune gestalten die User ihre Clips mit Hintergrundmusik und Spezialeffekten. So bekommen sie mehr als nur Allerweltsvideos. Sie bekommen Videos mit ihrer ganz persönlichen Handschrift. Ein gutes Beispiel ist die #iusedtobebeautiful-Challenge. Hier beweisen die User Mut zur Hässlichkeit. In einem überraschenden Vorher-Nachher-Vergleich zeigen sie sich von ihrer unappetitlichsten Seite – je unappetitlicher, desto besser. Für die nötige Stimmung sorgt aber nicht nur der verblüffende Vergleich, sondern auch mitreißende Hintergrundmusik.

“Jemand sein”

Neben Unterhaltung und Kreativität geht es bei vielen Clips natürlich auch um Selbstdarstellung. TikTok schenkt Kindern und Jugendlichen eine multimediale Bühne zur Imagepflege und Selbstinszenierung. Hier sind sie “Jemand”. Je mehr Nutzer ihre Kreationen schauen, bewundern und teilen, desto stärker der Selbstbewusstseinsschub. Da ist einer, der sie gut findet, der hinter ihnen steht.

TikTok – die sechs größten Gefahren für Kinder und Jugendliche

Natürlich ist auch bei TikTok nicht alles Gold, was glänzt. Gerade für Kinder und Jugendliche hält die Video-App so manche Stolperfalle bereit. Hier ist besondere Vorsicht gefragt:

1. Jugendschutz

Offiziell ist TikTok erst ab 13 Jahren erlaubt. Nur mit Einwilligung der Eltern kommen auch unter 13-Jährige in den Genuss der Video-App – zumindest gemäß der Nutzungsbedingungen. Doch aufgepasst: Bislang wird das Mindestalter nicht konsequent von TikTok überprüft. Umso häufiger gerät die Entertainment-App in die falschen Hände. Denn auch viele unter 13-Jährige können sie sich problemlos herunterladen und nach Lust und Laune nutzen. Im Idealfall passen Sie die Jugendschutzeinstellungen des App-Stores auf dem Smartphone Ihres Nachwuchses an.

Gut zu wissen: Chatten ist bei TikTok erst ab 16 Jahren möglich. Live-Streams sind sogar erst ab 18 Jahren und ab 1.000 Follower zugänglich. Um virtuelle Geschenke senden und empfangen zu können, müssen User ebenfalls volljährig sein.

2. Vorsicht Kostenfalle

Der Download und die Nutzung von TikTok sind kostenlos. Trotzdem kann die App schnell das Portemonnaie belasten. Der Grund: User können ihre Lieblinge mit sogenannten Coins unterstützen. Schnell sind bis zu 1.000 Euro in ein beliebiges TikTok-Nachwuchstalent investiert. Unser Tipp: Deaktivieren Sie In-App-Einkäufe, räumen Sie die Kostenfalle aus dem Weg.

3. Werbung

Seit Ende September 2019 gestattet TikTok Werbung in seinem sozialen Netzwerk. Geschickt platziert es die Anzeigen zwischen den Suchergebnissen der Nutzer. Der Vorteil: Die Werbung sticht kaum mehr ins Auge. Der Nachteil: Ein falscher Klick und der User landet versehentlich in Online-Shops mit verlockendem Angebot. Hier kann er rein zufällig seine Wunschprodukte bestellen.

4. Ungebetene Anfragen

Hat Ihr Kind die Standard-Einstellungen bei TikTok aktiviert, ist sein Profil für jedermann zugänglich. Jeder beliebige Nutzer kann über die Kommentar- oder Chatfunktion Kontakt mit ihm aufnehmen. Am besten stellen Sie das Profil Ihres Nachwuchses vorsorglich in den Privat-Modus – sicher ist sicher. Wird Ihr Kind Opfer von Belästigungen wie Cybermobbing, kann es den User mit wenigen Klicks einfach blockieren. Alternativ meldet es den Vorfall direkt an TikTok.

5. Sexualisierung

Vor allem junge Mädchen posieren bei TikTok oft in freizügigen Posen und knapper Kleidung. So ziehen sie Aufmerksamkeit auf sich und steigern ihre Reichweite in der Community. Doch dabei werden sie oft unwissentlich zum Sexualobjekt. Schlimmstenfalls landen ihre Videos sogar auf pornografischen Seiten. Steuern Sie rechtzeitig gegen. Überprüfen Sie regelmäßig, welche Inhalte Ihr Kind ins Netz stellt. Empfinden Sie die Clips als zu freizügig und auffällig, suchen Sie am besten das Gespräch. In entspannter Atmosphäre und im ruhigen Ton klären Sie es über mögliche Risiken der freizügigen Inszenierung auf.

6. Datenschutz

Wie jedes andere soziale Netzwerk speichert auch TikTok persönliche Daten Ihres Kindes. Insbesondere bei der Eröffnung eines Nutzerkontos fordert die App einige sensible Informationen wie Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer. Zudem verknüpfen viele User ihr Konto mit anderen Social Media-Accounts – zum Beispiel mit ihrem Facebook- oder Instagram-Profil.

Gut zu wissen: Schaut Ihr Kind ausschließlich Videos, wird aber selbst nicht aktiv, ist kein eigenes TikTok-Konto nötig.

Tipps für Eltern: Das können Sie tun

1. Gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen

Warum sehen Sie sich das Phänomen TikTok nicht einmal hautnah an? Oder besser noch: Gehen Sie zusammen mit Ihrem Kind auf große Erkundungstour. Dann können Sie nicht nur besser mitreden, sondern auch mögliche Gefahren wie Cybermobbing oder Kostenfallen realistischer einschätzen.

2. Zuhören statt zudrehen

Reine Verbote kommen bei Kindern und Jugendlichen meist nicht gut an. Oft widersetzen sie sich schon aus Trotz – insbesondere, wenn TikTok im Freundeskreis bereits ein Dauerbrenner ist. Umso wichtiger ist Zuhören. Nehmen Sie sich Zeit und sprechen Sie mit Ihrem Kind über seine Beweggründe. Warum möchte es die App unbedingt nutzen? So fühlt sich Ihr Nachwuchs ernst genommen und verstanden.

3. Risiken bewusst ansprechen

Machen Sie kein Geheimnis aus den Nutzungsrisiken der Entertainment-App. Am besten sprechen Sie sie direkt an. Diese Probleme sollten beim Aufklärungsgespräch unbedingt zur Sprache kommen:

  • Cybermobbing (Beleidigungen und Anfeindungen)
  • Cybergrooming (freundschaftliche Kontaktaufnahmen mit sexuellen Hintergedanken)
  • Urheberrechtsverletzungen (persönliche Fotos und sensible Daten werden zu anderen Zwecken missbraucht, z.B. für pornografische Websites)
  • Kostenfallen
  • jugendgefährdende Inhalte (z.B. Gewalt und Pornografie)

4. Stellen Sie Nutzungsregeln auf

Ihr Kind darf TikTok nutzen – vorausgesetzt, es hält sich an bestimmte Nutzungsregeln. Legen Sie gemeinsam mit Ihrem Nachwuchs individuelle Richtlinien für den Gebrauch fest. Welche Art von Videos sind erlaubt, welche nicht? Zum Beispiel: Von freizügigen oder gewaltverherrlichenden Clips raten Sie Ihrem Kind dringend ab. Auch Videos, die Informationen über den Wohnort oder die Schule preisgeben, sind tabu. Sind an dem Video mehrere Personen beteiligt, müssen diese vor dem Hochladen erst um Erlaubnis gefragt werden.

5. Besprechen Sie die rechtlichen Spielregeln

Urheberrecht – nie gehört. Für Ihr Kind sind die rechtlichen Spielregeln bei TikTok Neuland. Umso wichtiger ist ein aufklärendes Gespräch vor der Nutzung. Nehmen Sie Ihren Nachwuchs zur Seite und informieren Sie ihn einfach und verständlich über Urheberrechte. Die Songs, die TikTok seinen Usern zur freien Verfügung stellt, sind lizenziert. Sprich: Sie können sie für die Gestaltung ihrer Videos nach Lust und Laune verwenden. Dies gilt jedoch nur für das TikTok-Universum. Auf anderen sozialen Plattformen wie Instagram, Facebook oder YouTube darf Ihr Kind die urheberrechtlich geschützte Musik nicht ohne Weiteres verbreiten. Schließlich sind die Musiklizenzen nur auf TikTok gültig. Genauso wichtig ist das Recht am eigenen Bild. In anderen Worten: Sind weitere Personen im Video zu sehen, müssen diese unbedingt mit der Veröffentlichung der Inhalte einverstanden sein.

6. Besprechen Sie kreative Alternativen

Ermutigen Sie Ihr Kind, sich auf TikTok kreativ zu entfalten. Doch kreativ bedeutet nicht unbedingt, sich selbst im Bild zu zeigen. Im Gegenteil: Auch so manche originelle Alternative kann sich sehen lassen. Wie wäre es zum Beispiel mit Stop Motion Videos? Anstatt sich selbst präsentieren die Hobby-Regisseure Comic-Figuren.

Der begleitende Modus – Sicherheit für Eltern und Kind

Anfang 2020 rüstet TikTok seine Sicherheitsmaßnahmen für Eltern und Kinder auf. Der sogenannte begleitende Modus soll während der Nutzung ein Auge auf den jungen User haben. Das Prinzip: Mithilfe der neuen In-App-Funktion haben Eltern deutlich mehr Mitspracherecht bei den Nutzungsbedingungen und sichern sich so ein Stück Kontrolle über ihren minderjährigen Nachwuchs. Bei diesen Funktionen bestimmen die Eltern im begleitenden Modus mit:

1. Die Nutzungszeit

40, 60, 90 oder 120 Minuten TikTok pro Tag – was darf es sein? Gemeinsam mit Ihrem Nachwuchs legen Eltern die exakte Nutzungsdauer fest. Ist die Zeit abgelaufen, verlangt TikTok ein Sicherheitspasswort. Nur dann dürfen sich die jungen Nutzer weiter auf TikTok vergnügen.

2. Die Kontaktaufnahme

Wem kann Ihr Kind private Nachrichten senden – jedem oder nur Freunden? Genau das regeln Sie im begleitenden Modus gemeinsam. Ihr Kind soll gar keine Privatnachrichten bei TikTok empfangen können? Auch das ist möglich. Wer die Funktion “Privatnachrichten” deaktiviert, schützt seinen Nachwuchs vollständig vor ungebetenen Kontaktaufnahmen.

3. Der eingeschränkte Modus

Erwachsenen-Inhalte wie Gewalt oder Pornografie fängt der eingeschränkte Modus zuverlässig ab, bevor sie in die falschen Hände geraten. Die Besonderheit: Trotz der Überwachungsfunktionen im begleitenden Modus haben Kinder und Teenager immer noch reichlich Privatsphäre. Ihre Eltern wissen zum Beispiel nicht, welche Videos sie sich bei TikTok ansehen. Auch auf die Nachrichten und Kommentare haben sie keinen Zugriff. So fühlen sich die jungen Nutzer immer noch frei und unbeobachtet.

Quellen:

KlickSafe.de
SaferInternet.at
KlickSafe.de (begl. Modus)
Mdr.de
Techbook.de
Internet-ABC.de